Cut it out! Über Zensur und Verbot von Spielen

Verbote für Medien durch die Obrigkeit sind so alt, wie die Geschichte der Menschheit selbst. Von Kaiser Neros Abneigung gegen die Bibel bis zu Bücherverbrennungen im Dritten Reich hatten solche Verbote generell immer ein bestimmtes Ziel: Die Stabilisierung der aktuellen Hierarchien und die Erhaltung des bestehenden Ordnungssystems. Andersdenker wurden davon abgehalten, Einfluss auf die öffentliche Meinung auszuüben. Dass solche Vorgehen aber schon immer stets auf Widerspruch trafen, zeigt uns noch heute der wohl beliebteste Auto-Aufkleber nach „Kevin an Bord“ und „Unheilig“: Der Christenfisch, den sich die Religiösen im Zeitalter des Verbots als Symbol für ihre geheimen Bibelstunden ausdachten.

Seit grob 60 Jahren ist diese Art des Medienverbots zum Glück (zumindest bei uns) ausgestorben. Seither ist es ein etwas anderer Gedanke, der Zensuren und Verbote anleitet: Was ist „gefährdender Inhalt“, was dürfen wir unseren Mitmenschen zumuten und wo hört künstlerische Freiheit auf?

Bevor wir uns nun diesbezüglich die Situation im Bereich Games ansehen, sollten einige Vokabeln aufgefrischt werden.
Zensur: Das Einschränken von Medien generell bezeichnen wir als „Zensur“. Geschnittene Szenen, abgeänderte Inhalte oder textliche Änderungen fallen alle unter diesen Bereich.
Indizierung: Wird ein Medium „indiziert“, bedeutet dies nicht wie oft fälschlich angenommen ein absolutes Verbot für Verkauf und Besitz. Verboten ist lediglich der öffentlich zugängliche Verkauf und die Werbung für das Produkt.
Beschlagnahmung: Von einer Beschlagnahmung ist die Rede, wenn Medien gegen lokale oder internationale Gesetze verstoßen und daher nicht zum Verkauf angeboten werden dürfen.
Jugendschutz & Jugendfreigabe: Manche Dinge gehören nicht in die Hände von Kindern, Heranwachsenden und Jugendlichen, ganz klar. Im Bereich Medien übernimmt hier der Jugendschutz und kategorisiert in verschiedenen Altersfreigaben, was ab wann konsumiert werden sollte. Diese Freigaben sind größtenteils freiwillig, die Ausnahme ist der Verkauf von „Ab 18“ Titeln an Minderjährige, an den sich gesetzlich gehalten werden muss.

Auch wenn es in den Medien gern anders dargestellt wird: Generell werden in Deutschland eigentlich kaum Filme oder speziell Spiele wirklich „verboten“. Schaut man sich die Liste der Spiele an, wird bereits anhand der Titel schnell klar, dass wohl die meisten dieser Games stark gegen den Verfassungsschutz verstoßen werden. In einigen anderen Fällen ist es durch exzessive Gewaltdarstellung oder Hetzerei zum Verbot gekommen. Auch ist es Quatsch, dass Spiele „in Deutschland geschnitten werden“. Wir haben keinen kleinen Mann im Bundestag sitzen, der mit Schere und Tesafilm Medien zerschnipselt. Im Gegenteil, Zensur ist sogar nach Grundgesetz Artikel 5 verboten! Vielmehr passen bereits die Hersteller ihre Spiele der entsprechenden Marktsituation in unserem Land an.

cczensur

So machte zum Beispiel Westwood aus menschlichen Soldaten in Command & Conquer kurzerhand Kampfroboter für die europäischen Versionen des Spiels, um gar nicht erst Gefahr zu laufen, auf dem Index zu landen. Denn obwohl indizierte Spiele weiter verkauft werden dürfen („unter der Ladentheke“), bedeutet ein Verbot für Werbung in den meisten Fällen das wirtschaftliche Aus eines Produktes. Aus Angst davor waren es die Hersteller selbst, die für unseren Markt das Blut in Unreal Tournament grün färbten oder die Sterbeanimationen in F.E.A.R. und Medal of Honor durch ein Verschwinden der Charaktere ersetzten.

Dass also auch heute zum Beispiel South Park – The Stick of Truth bei uns nicht gänzlich ungeschnitten wie in Amerika erscheint, liegt zum einen an unseren nationalen Gesetzen zur Darstellung von Symbolen aus der Zeit des Nationalsozialismus, zum anderen aber auch am wirtschaftlichen Interesse der Entwickler und vor allem der Publisher. Der Eingriff in die künstlerische Freiheit der Schöpfer geht nicht selten in erster Linie vom kapitalistischen Gedanken aus, das Spiel am Ende möglichst gewinnbringend verkaufen zu können.

Speziell Nintendo fährt hier eine harte Schiene im Bezug auf Lokalisierungen von japanischen Titeln für die USA und Europa. Jeder Bezug zu Alkohol, Drogen, Religionen oder Sexualität wird bereits seit dem NES zensiert, geschnitten und umgedichtet. Aus Bars werden Cafés, Charaktermodels bekommen nachträglich mehr Kleidung angezogen und religiöse Zeichen werden umgestaltet. Damit wollte Nintendo im Voraus den Zündstoff für beliebte Diskussionen im Keim ersticken – relativ erfolgreich, wie man zugeben muss.

ff6zensur

Dabei wären diese Eingriffe für den deutschen Markt aus keiner gesetzlichen Sicht notwendig gewesen. Allgemein sieht man aktuellen Releases heutzutage oft an, dass der Fortschritt endlich auch die Türen der Bundesprüfanstalten eingerannt hat und immer mehr Kandidaten, die früher sofort indiziert worden wären, heute einfach mit einem „Ab 18“-Stempel in die Regale wandern. Während das erste Doom 1994 auf dem Index landete und nur noch auf Anfrage der Kunden verkauft werden durfte, dürfen wir uns heute das Reboot von 2016 im Mediamarkt schnappen und uns durch Gewaltorgien ballern, die selbst bei Hartgesottenen oft die Gesichter entgleiten lassen. Problematisch ist da eher der Umgang mit der Vergangenheit: Doom landete 1994 auf dem Index und wurde erst 17 Jahre später wieder freigegeben. In einem Umfeld, das sich so schnell weiterentwickelt wie Videospiele, ist der gesetzliche Zeitraum zur Wiedervorlage indizierter Medien von 25 Jahren einfach nicht angebracht. 25 Jahre sind in der Videospielbranche eher ein Jahrhundert und eine vorzeitige Neuvorlage zu erwirken funktioniert nur in den wenigsten Fällen. So wirkt es ein wenig abstrus, wenn man das „verbotene“ Soldiers of Fortune gegen das aktuelle Battlefield stellt und zu vergleichen versucht.

doom2016

Ich glaube, Spieler und Spieleentwickler sind sich einig darüber, dass es eine Regelung für die Altersfreigaben von Spielen geben muss. Auch der Umgang mit Hakenkreuzen und vergleichbaren Symbolen ist eine Debatte, die nicht speziell zu Videospielen, sondern eher in einem allgemeinpolitischen Umfeld geführt werden muss. Schwierig ist und bleibt aber die Zensur von Spielinhalten aus Angst vor Indizierungen. Dass ein Bioshock in der amerikanischen Version durch mehr Blut und Gewaltdarstellung noch dystopischer wirkt als in der reduzierten Europafassung ist klar. Ob es diese Einschränkung wirklich gesetzlich gebraucht hätte, ist aber weniger klar; der Publisher ging den Weg des geringsten Widerstandes um nicht befürchten zu müssen, nachträglich einen Verkaufsstopp hereingedrückt zu bekommen. Hier wünsche ich mir mehr Klarheit, sowohl auf Seiten der Prüfstellen als auch beim Verleger.

Auch müssen wir mit dem gesamten Thema „verbotene Medien“ anders umgehen. Das Verbotene hat schon immer einen Reiz entwickelt. Schnell stellt sich die Frage, warum ich etwas nicht sehen, hören oder lesen darf. Erst dadurch entwickeln Spiele wie damals beispielsweise Postal 2 ihren Ruf. Gehen wir von Anfang an aufgeklärt an die Sache heran – vielleicht im Rahmen medialer Erziehung – verfällt das Schulhofgerücht vom „Spiel, das so brutal ist, dass sie es verbieten mussten“ schnell zur gehaltlosen Gewaltdarstellung ohne Mehrwert. Die richtige Bildung entmystifiziert die vorenthaltenen Medien schnell und schrumpft sie zu dem zusammen, was sie in den meisten Fällen sind: Eine gezielte Provokation der Provokation willen.

postal2

Alles in allem befinden wir uns zur Zeit eigentlich in einem deutlich angenehmeren Raum, als es die wütenden Forenposts von XxSniperkiller99xX und _CoD4ever2004_ so oft beschreien. Rein rechtlich gesehen steht den Spielemachern mittlerweile zum Glück endlich verhältnismäßig wenig im Weg und die Prüfstellen scheinen so langsam zu verstehen, dass Geschmack nunmal keine staatliche Vorgabe ist und inhaltlich wie optisch fragwürdige „Kunst“ noch lange nicht verboten gehört, nur weil sie pietätlos oder provokant ist. Einzig im Bereich der Erziehung wünsche ich mir deutlich mehr Fortschritt. Ein Grundkurs zum Umgang mit Medien aller Art sollte beispielsweise dringend auf die Lehrpläne wandern, da man so etwas leider noch immer nicht für jedes Elternhaus voraussetzen kann. Erst wenn wir gesellschaftlich so weit sind, dass auch junge Menschen objektiv an fragwürdige Medien herangehen, sich distanziert ihre eigene Meinung bilden können und sich nicht von Meinungsmachern in vorgefertigte Lager quatschen lassen sind wir wirklich an einem Punkt, an dem wir das Thema Zensur und Verbot endlich über Bord werfen können.