Dragon Crystal Review

Schnappt euch sechs Batterien, wir begeben uns mit Segas Game Gear auf ein episches Abenteuer!

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Titel: Dragon Crystal
System: Game Gear
Genre: Action RPG
Erscheinungsjahr: 1991
Entwickler: Sega
Durchgespielt in 6 Stunden Spielzeit

Story: 2/10
Wir kennen das: Auf dem Nachhauseweg fällt uns ein neuer Laden in unserer Straße auf. Wir parken unser Fahrrad, betreten das seltsame Geschäft, blicken in eine Kristallkugel und wachen in einer Fantasywelt auf, in der uns ein riesiges Ei verfolgt. Klassiker. Über die gesamten 30 Spielabschnitte passiert dann auch leider rein gar nichts relevantes mehr, die Geschichte müssen wir uns selbst erdenken. Nachdem die letzten Gegner im Staub liegen, klärt ein kurzer Abspann die schwache Story mit zwei Sätzen auf und lässt uns unbefriedigt zurück.

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Gameplay: 7/10
Heutzutage würde ein einziges Wort wahrscheinlich ausreichen, um Segas Action RPG Dragon Crystal zu beschreiben: Roguelike. Unser Charakter bekämpft Monster um zu leveln, steigert seine Statuswerte, findet massig Ausrüstungsgegenstände und magische Items, muss essen um nicht zu verhungern und eine Menge Gold bezahlen, falls die Gegner ihn überwältigen und töten. Mit Glück hat man so pro Spiel eine Hand voll Versuche, um sich durch 30 vernebelte Gebiete zu forschen und so den letzten Spielabschnitt zu erreichen. Das wohl wichtigste Gameplay Element ist dabei die Gleichsetzung der Erfahrungswerte zwischen Spieler und Spielfigur: Findet unser Charakter zum ersten Mal eine der farbigen Spruchrollen, weiß er noch nicht, welcher Zauber sich dahinter verbirgt. Erst beim Einsatz der Rolle lernen wir nachhaltig, wofür beispielsweise die gelbe Farbe steht. Auch Gegenstände entfalten oft erst beim Tragen ihre wahre Wirkung und Zaubertränke müssen natürlich getrunken werden, um ihren Effekt zu spüren. So wird eine erstaunlich gut funktionierende Immersion gegeben, die die Unerfahrenheit der Spielfigur in der für sie neuen Umgebung auf uns als Spieler überträgt. Nicht immer ist ein Gegenstand dabei hilfreich: Viele Rüstungen sind verflucht und beißen sich solange am Fleisch des Charakters fest, bis ein Bannzauber gefunden wird. Dass wir diesen Bann durch die weiße Schriftrolle bewirken finden wir möglicherweise erst heraus, nachdem uns der blaue Zauberstab ein Level abgezogen hat, der bronzene Trank unseren Screen vernebelt und die goldene Spruchrolle unsere Waffe verwandelt hat. Ansonsten kämpfen wir uns rundenbasiert durch Gegnermengen, um die Geheimnisse der Karte aufzudecken und vor allem kostbare Level zu sammeln, die unsere Figur merklich verstärken.

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Grafik: 8/10
Tragbare Spielekonsolen waren in den frühen 90ern noch nicht unbedingt für ihre Grafik bekannt, so viel steht fest. Segas Game Gear überzeugte aber bereits zu einer Zeit mit seinem Farbdisplay, zu der Nintendo Fans noch fast zehn Jahre vom Color-Handheld entfernt waren. Durch die Hintergrundbeleuchtung kommen die verwendeten Farben gut zur Geltung, die Sprites sind auch auf dem kleinen Display gut genug erkennbar und die verschiedenen Ausrüstungen verändern das Aussehen unserer Spielfigur. Für die Epoche Pre-16bit kann man Dragon Crystal also nur als grafisch überzeugend einstufen, speziell für ein so frühes Handheld Game. Einzig die jeweils aus nur einem Sprite gepasteten Levelbegrenzungen stoßen negativ auf.

Fazit:
Mit Dragon Crystal fiel mir vor einiger Zeit durch Zufall ein tragbares Action RPG in die Hände, dessen Qualität seiner Zeit weit voraus war. Speziell die gelungene Projektion der Unerfahrenheit des Protagonisten durch die anfangs fehlenden Itembeschreibungen ist ein wahrer Geniestreich und bringt einen vielschichtigen Erforschungsdrang mit sich. Da sag noch einer, dass der Notizen-Bereich in Handbüchern überflüssig sei! Erst nach mehreren gescheiterten Anläufen hatte ich langsam raus, welche Gegenstände ich wann verwenden sollte und bei welchen Farben ich das Item lieber gar nicht erst berühren würde. Mir persönlich hat dieser Gameplay Aufhänger sogar so hervorragend gefallen, dass er mich mühelos über die alberne bis nicht vorhandene Story hinwegblicken ließ. Speziell angesichts der aktuellen Renaissance des Roguelike-Genres im Indie-Sektor ist Dragon Crystal auch heute noch einen historischen Blick wert, da es nach wie vor ein stimmiges Gesamtkonzept umwandelt und die heute so typischen Elemente schon seinerzeit hervorragend einzusetzen wusste.

TL;DNR: Gutes, frühes roguelike RPG zum Mitnehmen.