„Wii mit dem Munde gemalt“

Die Geschichte der Motion Control

Nicht erst seit dem großen Durchbruch der Nintendo Wii ist Motion Control ein Thema in der Geschichte der Videospiele. Immer wieder versuchten sich verschiedenste Firmen an neuen Möglichkeiten der Steuerung für Videospiele. Die Klassiker auf diesem Gebiet sind wohl die Lightguns, die bereits 1967 mit „Target Shooting“ ihr Debut auf dem TV-Gerät feierten, oder Tanzmatten, wie man die aus den alten Arcades kennt.

Doch seitdem hat sich auf diesem Gebiet natürlich einiges getan. Bereits fürh entwickelte Nintendo den „PowerGlove“, der auf Infrarottechnologie beruhte und die Steuerung per Zeigefinger ermöglichen SOLLTE. Seinerzeit floppte das Produkt nicht zuletzt dank seiner Bugs. Auch auf der Playstation 2 wurde viel mit dem Thema Alternativsteuerung experimentiert, weshalb ich diese Schiene der Motion Control gern als die „zweite Generation“ bezeichne. Mit Eye-Toy begann das ganze Spektakel damals. Ein Spiel, das sich ohne Controller, nur über Bewegungen steuern ließ. Doch was anfangs nach einer witzigen Idee klang, wurde schon nach drei oder vier Runden totlangweilig und lächerlich, denn immerhin war der Spieler gezwungen, vor dem Fernseher rumzuhampeln wie ein Irrer. Gerade das Publikum ab zwölf Jahren aufwärts blockierte hier schnell und die Folgetitel gerieten nie ins Rampenlicht.

Mit „Guitar Hero“ wurde das Lächerlichmachen vor der Konsole dann auf einmal aber cool und kultig. Selbst diejenigen, die sich so krampfhaft gegen „SingStar“ gewehrt hatten („Pfff ich mach mich doch nicht zum Affen hier!!“) waren nun oft die ersten, die beim Dragonforce-Solo in den Powerslide gingen, die Gitarre hochrissen und den Star Mode aktivierten um somit eindrucksvoll zu beweisen, dass man keine Kamera mehr braucht, um sich komplett lächerlich zu machen.

Nintendo startete zu dieser Zeit mit „Yoshi Gravity“ einen Versuch, Motion Control auch auf Handhelds einzuführen. Bei diesem Versuch sollte es jedoch vorerst bleiben. Stattdessen wurde auch bei Nintendo an alternativen Gameplayoptionen gefeilt, und zwar in Form einer komplett neuen Konsole. Einige Zeit später war es dann soweit: Die Wii erblickte das Licht der Welt. Diesen Moment bezeichne ich gerne als den Anfang vom Ende.

Mit der Wii starten wir nun in die „dritte Generation des Motion Control“. Das Prinzip des lustigen Partyspiels, das mit einer Plastikgitarre oder einer Kamera im Pack gekauft wird, ein paarmal gespielt und dann weggestellt wird, war damit beendet. Die Wii baute ihr gesamtes Gameplay inklusive Menüführung auf eine Lightgun-ähnliche Bewegungssteuerung auf. Die alten Nintendo Controller, die beim Gamecube noch Tasten und Sticks hatten, wurden ersetzt durch eine Art Fernbedienung, die Wiimote. Mit den Starttiteln „Sports“ und „Play“ war auch schnell der weitere Weg der Konsole festgelegt: Eine eindeutige Orientierung an Casualgamern, besonders denen des weiblichen Geschlechts. Eben genau jene Zielgruppe, die bisher keine Lust auf „gewalttätige Killerspiele“ hatte oder entweder nach dem Motto „Ist mir zu kompliziert!“, „Da kann ich auch ’nen Film für gucken!“ oder „Da hab ich was Besseres mit meiner Zeit vor!“ den Konsum von interessanten, actiongeladenen oder storylastigen Videospielen strikt ablehnte. Für eben dieses Publikum kamen nun Spiele, die man in der ersten Sekunde durchschauen konnte (Wedeln Sie mit der Wiimote – „Oh guck mal Schatz, ich bin ein Schwertkämpfer!! <3 “ ). Wenn man sich die Bibliothek der Wii-Games heutzutage ansieht, findet man zu 65 Prozent typische „Partyspiele“ die allerhöchstens sechs gehirnzellen erfordern, aber auch zu 15 Prozent wirklich gute Spiele, die durch die Motion Control leider völlig hingerichtet wurden.

Hier denke ich speziell an Mario Kart. Dieser neue Titel dürfte jedem Fan der Serie aus frühen Stunden die Tränen in die Augen getrieben haben. Mit bescheuerten Plastiklenkrädern in wunderschönem, modischen Alpina-Weiss muss man in der Luft herumlenken und ist dabei etwa so präzise wie die Aussage des Finanzministers zur aktuellen Finanzlage des Staates. Gottseidank gibt es die Möglichkeit, einen alten GC-Controller anzustecken und damit zu spielen (geht bei viel (VIEL!!!) zu wenigen Titeln).

Doch nun wollen auch Sony und Microsoft natürlich nicht nur zusehen, wie Nintendos kleines weißes Grafikdebakel die zahlende Kundschaft für sich beansprucht und legen nach. Playstation Move heißt Sonys Antwort auf die Wiimote und soll in Zukunft quasi das gleiche stumpfe Gameplay auf die Playstation 3 bringen. Zuvor war hier zwar durch den SixAxis durchaus Motion Control möglich (und „Heavenly Sword“ oder „Fl0wer“ zeigten auch, dass durchaus Potential besteht), diese wurde aber von der Öffentlichkeit nicht erkennt. Was macht Sony also? Den Fokus auf die bereits vorhandene Möglichkeit der Motion Control legen? Nein, lieber ein „neues“ Produkt auf den Markt werfen. Wir dürfen gespannt sein, wie Wii Sports und Wii Play in zeitgemäßer Grafik aussehen …

Microsoft beschreitet während dessen mit Project Natal quasi den Weg des Eye-Toy-Relaunches und lässt den Controller weg. Kameras erfassen den Spieler und setzen ihn direkt ins Spiel. Auch hier muss also gehampelt und gestrampelt werden bis die Nachbarn den Irrenarzt rufen.

Vor allem für echte Core-Gamer, die einen gewissen Anspruch an ein Videospiel stellen, ist der Motion Control Hype ein schwerer Schlag. Die Flut an grottigen Spielen, die offensichtlich in der Produktion allerhöchstens 20 Zeitstunden in Anspruch genommen haben, wird durch den Release der Wii-Konkurrenzprodukte in Zukunft sicherlich sogar noch steigen. Gehaltlose Unterhaltung, die es dem Spieler abverlangt, sich komplett zum Idioten zu machen, nimmt langsam aber sicher Überhand. Motion Control ist das RTL2 der Videospielszene: Gehaltlos, stumpf, verblödet, aber mit Action und Witz, höhö. Und wer gar versucht, ein Spiel mit der Wiimote präzise zu spielen, wird kläglich scheitern. Um es mit den poetischen Worten Mundstuhls auszudrücken: „Och das is doch Scheiße. Das sieht ja aus wie mit dem Munde gemalt!“ Scheinbar kann man sich als Nintendo Fan nur an die wenigen Wiigames ohne qualitativ minderwertige Motion Control klammern, oder aber Ehebruch begehen und die Konsole wechseln.

Als Fazit dieses kleinen Ausflugs in die Geschichte der Motion Control muss ich nun aber leider die traurige Wahrheit anerkennen: Die Wii ist (und bleibt wahrscheinlich) die beliebteste Spielkonsole der Welt. Aber lassen wir den Kopf nicht hängen: Die BILD ist ja auch die beliebteste Zeitung Deutschlands und es gibt trotzdem noch irgendwo, ganz hinten im Kiosk, das ein oder andere akzeptable Konkurrenzprodukt.