„Che Guevara VS Mario“

„Alles Nintendo, alles cool! … oder?“

Gaming und Internetkultur haben an allen Ecken und Kanten Einzug in unser RL genommen und mein soziales Umfeld ist da keine Ausnahme. Wer beim „Wer wird Millionär“ gucken mit dem iPhone die Antworten googlet, bevor Günther sie verkünden kann, ist ein Cheater, wer vom Einkaufen nicht mindestens mit epic loot zurückkommt ist ein Noob und das grüne Pils mit weißem Aufdruck (Qualitätsmarke 2.5) ist ein 1-Up. Wenn sich Gamer und Internetveteranen in diesem Slang verständigen, erwarten sie wahrscheinlich gar nicht, von Außenstehenden verstanden zu werden. Jede Subkultur hat eben irgendwo ihre „Geheimsprache“ und während die einen in der S-Bahn lautstark über derben Shit und krasse Torten philosophieren, sind es bei anderen eben übertaktete CPUs und gejailbrokene Smartphones.

Das interessante an dieser speziellen Szene ist für mich dabei vor allem der brachiale Wandel, den sie in letzter Zeit im öffentlichen Ansehen durchlaufen hat. Noch vor wenigen Jahren war die Spezies Nerd einzig und allein dafür bekannt, den ganzen Tag lang im Keller zu hocken und wahlweise auf schwarzem Hintergrund mit grüner Schrift physikalische Gesetzmäßigkeiten nachzuprogrammieren, den Highscore in Space Invaders zu knacken oder mit angeklebten Elfenohren den Schaden eines Feuerballs auszuwürfeln. Durch die Omnipräsenz des Internets ist es dem Nerd aber irgendwie, irgendwo, irgendwann gelungen, gesellschaftsfähig zu werden. Serien wie Big Bang Theory oder The IT Crowd erfreuen sich auch bei denjenigen großer Beliebtheit, die nur jeden siebten Witz verstehen, klobige Glasbausteine vor den Augen sind endlich offiziell total cool (wenn man das auf MTV so trägt brauchen wir darüber gar nicht zu diskutieren) und bei H&M gibt es Pacman-Shirts.

Bemerkenswert finde ich dabei, das eben Jene, die heute nach den größten Nerds vergangener Tage aussehen und sich selbst dabei gern als „Indie“ oder „Retro“ bezeichnen meistens nicht einmal mit Sicherheit sagen können, ob das Motiv auf ihrem T-Shirt seinen Ursprung in Pacman, Asteroids oder Tetris hat. „Ist ja auch egal, alles Nintendo, alles cool!“. Und genau hier fange ich an mich zu wundern. Ist es mit dem Gaming gar schon so weit gekommen wie einst mit der Revoluzzer-Szene rund um den alten Che? Von dem weiß ja auch keiner mehr, was er eigentlich mal gemacht hat. Aber sein Kopf auf ’nem T-Shirt ist cool! Werden wir also in zwanzig Jahren Mario-Shirts tragen und bei der Frage unserer Kinder, wer das eigentlich sei, betroffen mit den Smartphones googlen müssen? Oder handelt es sich beim neuen Nerd-tum um eine klassische Modeerscheinung, die nach wenigen Jahren wieder in der Versenkung abgedunkelter Keller verschwindet? Wir werden es erleben.