Mirror’s Edge Review

Egoshooter kennen wir alle, aber wie wäre es denn mal mit einem Egorunner? Mirror’s Edge schnappt sich das Genre und krempelt es um.

mirrorsedgefront
Titel: Mirror’s Edge

System: PlayStation 3
Genre: First Person Action Adventure
Erscheinungsjahr: 2008
Entwickler: Electronic Arts (Team DICE)
Durchgespielt in 7 Stunden Spielzeit

Story: 6/10
Die Welt von Mirror’s Edge ist leicht erklärt: Ein Überwachungsstaat kontrolliert Medien und Kommunikation. Von außen sieht alles nach einer utopischen Gesellschaft ohne Kriminalität oder Gewalt aus, doch schnell stellt sich heraus, dass nur die Unterschicht durch den Staat ruhig gestellt wird. Revoluzer planen die Rückkehr zur Freiheit und hier kommt Protagonisten Faith ins Spiel. Sie überbringt Nachrichten in Zeiten vollkommener Überwachung. Als „Runner“ ist sie quasi die Extremform des Postboten und bewegt sich vorzugsweise über den Dächern der Stadt. Im Spiel selbst passiert leider nicht sehr viel Story, auch wenn der spätere Verlauf mit ein Paar netten Wendungen auftrumpft, aber die Vorgeschichte (die der interessierte Fan auch als Comicband erwerben kann) erschafft eine hervorragende Spielwelt, die durchweg realistisch wirkt und in ihrer Überwachungspolitik gar nicht so weit von heutigen Zukunftsszenarien entfernt ist. Die Rolle der Faith wird im Spielverlauf ein wenig ausgebaut, weitere Charaktere bleiben leider großteils hintergrundlos. Auf den Punkt gebracht: Geniale Spielwelt und nette Charaktere, mehr Handlung wäre aber nicht verkehrt gewesen.

Gameplay: 8/10
Das spielen als Runner macht einfach höllischen Spaß. Großteils unbewaffnet muss sich der Spieler durch die Stadt winden und Postbote spielen, während das Sicherheitspersonal dem Freidenker immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen will. Die gerade für Egoperspektiven untypische Kombination aus Gewaltlosigkeit und Pathfinding in der riesigen Spielwelt macht das Spiel nicht nur zu etwas Besonderem, sondern zu etwas besonders Reizvollem. Natürlich trifft Mirror’s Edge mit dem an Parcour angelegten Gameplay genau den Zahn der Zeit: Der Szenesport ist Trend. Nichts desto Trotz wirkt das Geklettere nicht aufgesetzt, die Bewegungen sind realistisch und die kleinen Tricks, wie beispielsweise Walljumps oder Slides verfeinern ein ohnehin interessantes Gameplay. Dem Spieler ist es darüber hinaus selbst überlassen, ob er den Wachen die Waffen klaut und sich so den ein oder anderen Feind aus dem Weg räumt, oder komplett gewaltlos durch’s Spiel rennt, wobei sogar ein nettes Achievement freigeschaltet wird. Charakteristisch für Mirror’s Edge ist wohl auch das Highlighting gewisser Spielelemente in roter Farbe, um die Wegfindung in der riesigen Spielwelt zu erleichtern. Echte Parcour-Experten können aber auch dieses Feature ausschalten und so ihrem eigenen Kopf folgen. Wer dann die Spielzeit von circa acht bis zehn Stunden im Storymodus gern verbracht hat, der wird auch am Time Trial Mode seine Freude haben, in dem weitere Trophies verdient werden können.

Grafik: 9/10
Grafisch ist Mirror’s Edge eine Meisterleistung. Und dabei rede ich nicht nur von der qualitativ grandiosen Umsetzung der Spielwelt in Verbindung mit einem wundervollen Stil, sondern vor allem von der genialen Atmosphäre, die es schafft, den Spieler von der ersten Minute an zu fesseln. Die Kontroverse zwischen Überwachungsstaat und dem Gefühl unendlicher Freiheit, das den Spieler beim Durchstreifen der Stadt unweigerlich überkommt, ist so genial inszeniert, dass es sich allein aus diesem Grund schon lohnt das Spiel durchzuzocken. Natürlich trägt aber auch der Stil der storytragenden Zwischensequenzen zum Gesamterlebnis bei: Die kantige Comicoptik erzählt die Geschichte außerhalb der Spielumgebung auf eine wunderbar unaufdringliche Art und wirkt dabei stets künstlerisch angehaucht. Mirror’s Edge will nicht komplett real wirken, sondern eher eine Dystopie aufzeigen. Getragen durch eine brilliante Grafik mit umwerfenden Lichteffekten und schier unendlicher Weitsicht funktioniert das natürlich zeitgemäß noch viel besser als in durchschnittlicher Grafik – Mirror’s Edge sieht einfach fantastisch aus. Oh, und weil ich keinen extra Audiokritikpunkt hab sei hier noch schnell gesagt, dass auch der Soundtrack hervorragend die Atmosphäre unterstützt, ganz besonders der Titelsong „Still Alive“.

Fazit:
Eine geniale Welt, die uns da gestrickt wurde! Mit Runner Faith auf abenteuerliche Botengänge zu gehen macht unendlich Spaß, wirkt authentisch und sieht fantastisch aus. Was will man mehr? Eine tiefere Story, ok, aber ausnahmsweise finde ich diesen Punkt hier gar nicht mal so wichtig. Der Hintergrund stimmt, das Spielgeschehen wird vorangetrieben und die Charaktere sind recht interessant. Wovon Mirror’s Edge eben wirklich lebt sind ganz klar Gameplay- und Grafikstyle. Böse Zungen mögen behaupten, Mirror’s Edge sei eine Grafikhure mit zu kurzer Spieldauer, aber das sehe ich anders. Die Story wird nicht langweilig, sondern nähert sich knackig ihrem Ende und wer danach nicht genug vom Gameplay hat kann sich im Time Trial Mode vergnügen. Wie gesagt lebt das Spiel eben prinzipiell sowieso eher von seinem neuartigen Gameplay als von seiner Story. Und jetzt wieder ein Bisschen Trivia zum Schluss: Der Lead Designer des Spiels gab im Interview die Kultserie Firefly als maßgebliche Orientierung an. Ich persönlich kann davon allerdings auch als Fan der Serie nicht allzuviel feststellen… Naja, der Mann wird wissen, wo er sich hat inspirieren lassen!

TL;DNR: Neue Art, ein altes Genre umzusetzen. Gefällt mir.